Digitalisierung in der Beschichtungsindustrie
Wenn man sich so wie ich schon lange im der Galvanikbusiness herumtreibt, reift schnell die Erkenntnis, dass wir Neuerungen nicht besonders aufgeschlossen gegenüber stehen. Sieht man sich Wissenschaft und Forschung an, so wird schnell klar warum das so ist: im Großen und Ganzen gilt unsere Branche seit den späten 60er Jahres des vergangenen Jahrhunderts als ausgeforscht. Warum sich dann noch mit Veränderung auseinandersetzten? Es geht doch. Und das schon über 60 Jahre lang.
Ich habe mich mit Lars Schmitt über dieses Thema unterhalten. Er hat mehrfach versucht, die Möglichkeiten der Digitalisierung auf die täglichen Problemstellungen der Beschichtungsindustrie anzuwenden. Aber er ist an der Unbeweglichkeit und dem Desinteresse der Branche gescheitert. Es wird Zeit, dass wir endlich aufwachen. Darum ist dieses Gespräch ein Muss für aufgeweckte Beschichter!
Die Wechselspannung aus dem Stromnetz ist nicht immer von einer gleichbleibenden Qualität. Die Wechselspannung lässt sich im Idealfall als Sinuskurve beschreiben und die Erzeugung einer solchen Spannung mittels mechanisch angetriebener Drehstrom-Generatoren führt auch zu einem solchen, idealen Verlauf.
Inzwischen nehmen aber sehr viele Komponenten im Spannungsnetz Einfluss auf den Verlauf dieser Spannungskurve. So sind beispielsweise moderne Gleichrichter, wie sie in großen Zahlen in der Galvanotechnik zum Einsatz kommen, inzwischen sog. Schaltnetzteile1. Diese Elemente im Netz erzeugen Oberwellen und „verschmutzen“ damit das interne Betriebsnetz oder – bei kleineren Betrieben – auch das öffentliche Stromnetz. Über die Gleichrichter hinaus gibt es weitere Elemente in einem Betriebsnetz, die ähnliche Probleme erzeugen können: z. B. LED-Beleuchtung, bzw. Leuchtstoffröhren mit elektronischen Vorschaltgeräten oder Frequenzumrichter.
Die Oberwellen überlagern sich mit der 50 Hz-Welle aus dem öffentlichen Netz und verzerrt diesen Spannungsverlauf, der zum Teil so extrem werden kann, dass Elemente im Netz ausfallen. So sind Computer und Maschinensteuerungen häufig betroffen. Auch Lichtsteuerungen sind häufig betroffen. Die Symptome sind oft sehr diffus und verändern sich ständig, so dass eine Analyse der Ursache im Betriebsablauf sehr schwierig ist. Auch die geringe Kenntnis über dieses Problem bei den Fachleuten vor Ort verschärft die Probleme rund um das richtige Erkennen der Fehlerursache merklich.
Ein potenzieller Ansatz ist die Messung den sog. THDV-Wert über einen Netzanalysator. Dieser spiegelt die Summe aller Oberwellen als prozentualer Anteil wider. Häufig finden sich solche Messeinrichtungen in Kompensationsanlagen, z. B. für Blindstrom-Anteile zu kompensieren. Der Messwert sollte typischerweise 12% nicht überschreiten.
Eine Kompensation dieses Problems erfolgt über passive Filter oder aktive Systeme, welche die Oberwellen herausfiltern. Diese innerbetriebliche Kompensation oder Filterung erfolgt am besten direkt da, wo solche Phänomene ents
Die regenerativen Energien verschärfen dieses Problem weiter, was das Thema in Zukunft wichtiger werden lassen wird.
Oliver Brenscheidt
Oliver Brenscheidt ist Chemiker mit mehr als 20 Jahren Erfahrung auf allen Gebieten der Galvanotechnik. Sein Urgroßvater Otto Brenscheidt gründete schon 1919 das heute noch tätige Familienunternehmen, sein Großvater Ernst gilt als Erfinder der Durchlauf-Galvanik. Er selbst war bis Ende 2016 im Unternehmen hauptsächlich zuständig für die Anlagentechnik und den Aufbau der digitalen Infrastruktur und verantwortete zuletzt den kompletten Bereich Bandbeschichtung.
Lars Schmitt
Lars Schmitt ist Doktorand an der TU München im Bereich Wirtschaftswissenschaften. Im Rahmen seiner Promotion setzte er sich über drei Jahre hinweg intensiv mit digitalen Geschäftsmodellen auseinander, insbesondere mit Marktplätzen in gewerblichen Kontexten (B2B). Unternehmen, die das Modell eines B2B-Marktplatzes verfolgen, fungieren als Plattformbetreiber und möchten in der Regel Angebot und Nachfrage in einem bestimmten Industriezweig digital zusammenzuführen. Lars versuchte dies ebenfalls, mit einem “B2B-Marktplatz für industrielle Lohnbeschichtung”, was schließlich nicht zu einem unternehmerischen Erfolg wurde, aber mit interessanten Erfahrungen und Erlebnissen einherging.